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Auswanderung nach Brasilien

Das Bublitzer Kreisblatt berichtete am 28. Dezember 1889:

Sydow: In hiesiger Gegend macht sich zur Zeit eine große Auswanderungslust geltend. Viele Leute von hier und aus den umliegenden Dörfern verkaufen ihr Hab und Gut, um nach Weihnachten in die jüngste Republik Brasilien auszuwandern. Es sind meist kleine Handwerker und Tagelöhner, man sagt, daß ganze Tagelöhnerdörfer auswandern werden, da die Überfahrt unentgeltlich sein soll, und werden die Gutsbesitzer Noth bekommen, daß sie die Wohnungen wieder besetzen. Die Auswanderer lassen sich trotz mannigfacher wohlgemeinter Warnungen in ihrem Entschluß nicht wankend machen.

In Nr. 15 vom 19. Februar 1890 wird der Brief eines nach Brasilien Ausgewanderten abgedruckt mit der Bitte um Rückkehrhilfe. In der Ausgabe Nr. 18 vom 1. März 1890 steht auf der Titelseite eine Amtliche Bekanntmachung, worin im Namen Seiner Majestät das "Mißfallen über die Auswanderung nach Brasilien" zum Ausdruck gebracht wird. In Nr. 24 dann weitere Berichte über das Elend der Auswanderer und Rückkehrer.

Bublitz, den 2. April 1890
Der vier Wochen vor Weihnachten vorigen Jahres nach Brasilien Ausgewanderte Wilhelm Fehlberg nebst Frau und Kind von hier, kam am Montag von dort nach unserer Stadt zurück. Derselbe erschien in unserer Expedition und übergab uns nachstehende Warnung mit der Bitte um Veröffentlichung:

Warnung

Wir warnen hiermit jedem deutschen Mann vor Brasilien. Soeben bin ich wieder in Deutschland angekommen, den dort war eine schlechte Zeit zu Essen gab es nichts als schwarze Bohnen, Reis und nur Maismehl. Fleisch gab es nur wenig, denn war es noch solch Fleisch, was man nicht genießen konnte. Die Kartoffel kosteten 15 Mark der Scheffel. Brot gab es garnicht. Als wir da an kamen in St. Pauli kamen wir in ein Emilcanthenhaus (Emigrantenhaus) ungefähr so wie hier eine Festung da wurden die Thore gleich hinter uns zu geschlossen ringsum wurden gleich Posten aufgestellt. Hier hatten wir 8 Tage Ruhe dort haben wir auf der harten Diele gelegen. Als die 8 Tage um waren haben wir uns Arbeit gesucht. Ich bekam Arbeit bei einem Maurer, aber meine Frau muste stille liegen für die war keine Arbeit. Als ich 14 Tage gearbeitet hatte war die Arbeit bei dem Maurer alle. Unser Kind was wir hatten ist uns gestorben. Auch viele Leute sind an dem gelben Fieber gestorben dort ist keine Religion Kirche und Schule ist dort nicht. Ich habe mich als Heitzer auf dem Schiffe (Postdampfer Hannover) herüber gearbeitet, für meine Frau mußte ich bezahlen (200 Mark) Hab und Gut was ich noch hatte jetzt bin ich ein armer Mann. Nochmals bitten wir jeden deutschen Arbeiter nicht nach Brasilien zu ziehen. Bleibe im Lande und nähre Dich redlich.

Wilhelm Fehlberg und Frau

Das fehlerhafte Deutsch des Schreibens hatte schon das Bublitzer Kreisblatt nicht verändert! Vermutlich derselbe Fehlberg taucht bereits in der Nr. 39 des Bublitzer Kreisblattes vom 15. Mai 1889 auf, wo über eine Schöffengerichtsverhandlung berichtet wird; unter Nr. 8 heißt es:

Wegen Forstdiebstahl wurde der Arbeiter Wilhelm Fehlberg .... zu 18,50 Mark Geldstrafe ev. 7 Tage Gefängnis verurteilt.

Warnung

Und am 29. Mai 1889 wird in Nr. 43 berichtet:

Geburten, Söhne: .... Arbeiter Wilh. Fehlberg, .... Standesamt Bublitz.

Doch schon 16 Jahre früher war die Auswanderung nach Brasilien aktuell, wie uns nachfolgender Artikel im Schlawer Kreisblatt(!) lehrt:

Schlawer Kreisblatt 1874 Kopf
Schlawer Kreisblatt 1874, S. 74
Schlawer Kreisblatt 1874, S. 75
Schlawer Kreisblatt 1874, S. 76

Dieter Schimmelpfenning berichtet von Tietzow:
1873 verließen 69 Personen das heimatliche Dorf mit dem Ziel Brasilien. Auf dem Segelschiff »Najade« unter Kapitän Grönhoff erreichten sie von Hamburg aus im Juni 1873 den kleinen Hafen Itajai in der Provinz Santa Catarina. In der vierzig Kilometer landeinwärts gelegenen, 1860 gegründeten Siedlung Brusque fanden die Auswanderer als Siedler eine neue Heimat.

Aus Tietzow war schon drei Jahre früher eine siebenköpfige Familie nach Australien ausgewandert, siehe "Auswanderung nach Australien".

Wie es wirklich war Deutsch Brasilien

Vorstehendes war die damalige, offizielle Meinung in Preußen zur Auswanderung nach Brasilien. Tatsächlich aber sind doch viele Deutsche und insbesondere Pommern dort heimisch geworden.

Bei Wikipedia kann man lesen:
Bis zu 1,5 Millionen Brasilianer sprechen Deutsch als Muttersprache.
Damit ist Deutsch die zweithäufigste Muttersprache des Landes. Nachfahren der Auswanderer aus Pommern beherrschen zuweilen das Ostpommersche wesentlich besser, während ihr Hochdeutsch kein muttersprachliches Niveau erreicht. Eine besonders starke pommersche Minderheit lebt im Bundesstaat Espírito Santo…

Pomerode ist eine Kleinstadt mit etwa 27.772 Einwohnern im brasiliani-schen Bundesstaat Santa Catarina. Die Stadt liegt am Rio Testo, rund 25 Kilometer nördlich von Blumenau, zu der sie bis zum 21. Januar 1959 verwaltungstechnisch gehörte. Um das Jahr 1863 von pommerschen Siedlern gegründet, hat Pomerode heute mit etwa 92 Prozent der Stadtbevölkerung den größten Anteil deutschstämmiger Einwohner in Brasilien.
Vor Jahren gab es im deutschen Fernsehen einen Film von Gernot Schley mit dem Titel: "Als wäre die Zeit stehengeblieben - bei Nachkommen deutscher Bauern in Brasilien". Die Hauptpersonen darin waren einfache Bauern mit dem Familiennamen Koglin(!) und sprachen ein original-pommersches Platt, wie man es heute in Deutschland nirgendwo mehr hören kann.

Übrigens hieß 2014 der Kommandant des 10. Militärpolizeibataillons von Blumenau, Oberstleutnant Claudio Roberto Koglin.

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