Inhaltsverzeichnis Das Unheil naht Flucht und Rückkehr Kämpfe um Hölkewiese Bis zur Vertreibung Zurück nach Berlin

Bergung in Hölkewiese gefallener Soldaten

Die schweren Kämpfe, die 1945 in Hölkewiese stattfanden, hatten auf beiden Seiten zu großen Verlusten geführt. Im Abschnitt Bis zur Vertreibung habe ich meine Erinnerungen an die toten Soldaten niedergeschrieben. Später sprach ich noch mit vielen ehemaligen Dorfbewohnern über das damalige Kampfgeschehen und erfuhr von weiteren militärischen und zivilen Opfern. Schon beim Eindringen der russischen Panzerspitze war einer der beiden im Dorf stationierten deutschen Soldaten erschossen worden. Die meisten Gefallenen hatte es beim Sturm der SS auf Hölkewiese gegeben, kaum weniger beim mehrtägigen "Stellungskrieg" am Groß Volzer Wald. Nach Beendigung der Kämpfe waren sie von den deutschen Einwohnern in Sammelgräbern, oft auch in Einzelgräbern an Ort und Stelle bestattet worden.

Wußten die Angehörigen der Toten von deren Schicksal? Vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde mir geschrieben, daß nur zwei Namen in Hölkewiese Gefallener bekannt seien; mein Hinweis zum Sammelgrab am Mühlenweg sei in den Akten vermerkt worden. Offenbar waren also die halben Erkennungsmarken, die den Toten bei der Beerdigung abgenommen worden waren, nicht in amtliche Hände gelangt. Erst als Jahre später der Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa im Internet auf die Kämpfe um Hölkewiese stieß, fragte man mich nach der genauen Lage des Grabes. Die Gegend hatte sich seit 1945 ziemlich verändert - wie im Besuch 1996 beschrieben - doch es gab ja alte Karten und mit den modernen Hilfsmitteln sollte sich die Stelle schon finden lassen. Das Weitere kann man dem nachfolgenden, hier etwas gekürzt wiedergegebenen Bericht des Vereins zur Bergung Gefallener in Osteuropa entnehmen:

Nach längeren Nachforschungen bereiteten wir für den 17.-22.10.2002 eine Suchfahrt nach Hölkewiese vor. Die dafür notwendigen Genehmigungen wurden in Zusammenarbeit mit dem Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (Volksbund) und den polnischen Behörden in Warschau und Rummelsburg eingeholt. Unsere polnische Partnerorganisation "Pomorze" aus Stettin half uns entscheidend bei unseren Arbeiten. Am 17.10.2002 fuhr unsere Gruppe unter der Leitung des Geschäftsführers Albrecht Laue nach Rummelsburg. Es waren 5 deutsche Vereinsmitglieder aus der ganzen Bundesrepublik und 3 polnische Freunde unserer Partnerorganisation "Pomorze".

Neue Spur Wir fanden den alten Mühlenweg nördlich von Hölkewiese verändert wieder. Die alte Spur war aufgegeben worden, rechter Hand führte eine neue Sandpiste durch das Feld. Der ehemalige Weg war aber noch gut zu erkennen und somit für uns ein wichtiger Richtpunkt. Leider mußten wir feststellen, daß die zwei Feldwege, welche ursprünglich vom Mühlenweg in westlicher Richtung zum Wald führten, nicht mehr vorhanden waren. An der Abzweigung des einen Feldweges sollte sich die Grablage in einer ehemaligen Sandgrube befinden. Der moderne Ackerbau hatte diese Wege verschwinden lassen. Somit begannen wir mit der Einmessung aufgrund der uns vorliegenden alten Meßtischblätter 1:25.000. Wir konnten einen Suchsektor eingrenzen und mit einem GPS-Satellitennavigationsgerät überprüfen. Dennoch war die in Frage kommende Fläche immer noch 15 x 40 Meter groß. Nachdem wir auch die letzte Genehmigung vom Eigentümer des Feldes erhalten hatten, begannen wir mit der systematischen Suche. Eine oberirdische Sondierung mit unseren Metalldetektoren förderte einige Hülsen und Metallgegenstände zu Tage, die uns in der Annahme bestärkten, hier an der richtigen Stelle zu graben. Doch auch nach mehrstündiger Suche im steinigen Ackerboden fanden wir noch keinen eindeutigen Hinweis auf Foto Wilhelm Seelecke eine Grablage. Der Tag neigte sich dem Ende zu und die bereits mehrere Dutzend umfassenden, bis zu 1,5 Meter tiefen Suchlöcher brachten keine Ergebnisse. Der Einsatz unserer Suchstangen half bei dem steinigen Boden nicht weiter. Da sich auch die Temperatur dem Gefrierpunkt näherte, unterbrachen wir die Grabungen kurz vor Einbruch der Dunkelheit, um sie am nächsten Tag unter Zuhilfenahme eines Baggers fortzusetzen.

Am nächsten Morgen, nach erneuter Einmessung des Suchsektors, begannen wir systematisch Gräben zu ziehen. Der Bagger schaffte das, wofür wir am Vortag zwei Stunden gebraucht hatten, in fünf Minuten - eine große Hilfe und Erleichterung. Unsere Erwartungen stiegen und schon nach 40 Minuten stießen wir in einer Tiefe von 1,20 Meter auf einen deutschen Soldatenstiefel. Die Untersuchung ergab, daß wir tatsächlich den äußeren Rand der Sandgrube gefunden hatten. Unsere Erleichterung war groß und sogleich begannen wir eine ein Meter dicke Erdschicht im Radius von 5 Metern mit dem Bagger abzutragen. Es blieb noch eine Grabtiefe von 20 cm, welche wir sorgsam mit unserem kleinen Werkzeugen entfernten. Danach waren wir sicher: Das Grab war gefunden.

Foto Wilhelm Seelecke Die nächsten Stunden verbrachten wir mit der sorgsamen Freilegung der einzelnen Gefallenen. Tatsächlich waren - wie überliefert - die Gefallenen immer zwei übereinander beerdigt worden. Neben Resten von Ausrüstungsgegenständen konnten wir bald die ersten Erkennungsmarken bergen. Die Hoffnung, den Gefallenen womöglich Ihre Namen zurückgeben zu können, erfüllte uns mit großer Freude. Acht Stunden später hatten wir die sorgsame Freilegung beendet. Eine Gedenkminute und eine kurze Ansprache, welche unser Begleiter Wilhelm Seelecke, der selbst Soldat im Osten gewesen war, hielt, brachte uns die Schrecken vor Augen, daß hier junge Menschen in unserem Alter einen so grausamen Tot gefunden hatten. Wir gedachten ihrer in Trauer und Ehrfurcht.

Insgesamt fanden wir bei den Toten 9 Erkennungsmarken. Einen der Toten konnten wir tatsächlich als Eugen Hadamovsky identifizieren. Die Schulterstücke eines Obersturmführers waren gut erhalten, und auf der Brust trug er das EK 1. Die Reste einer Soldempfangs-Bescheinigung verrieten uns einen weiteren Namen. Anschließend wurde die ehemalige Sandgrube wieder zugeschüttet und der vorherige Zustand wiederherstellt. Die Gebeine der Gefallenen übergaben wir dem Vertreter des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. Herrn Wolfgang Dietrich. Sie werden auf dem Soldatenfriedhof von Neumarkt bei Stettin ihre endgültige Ruhe finden. Über die Deutsche Dienststelle in Berlin und den Suchdienst des Roten Kreuzes München ließen sich schon die Namen von vier Toten ermitteln. Wir hoffen, daß die Angehörigen nach nun 58 Jahren endlich Gewißheit über den Verbleib ihres Vaters oder Bruders erhalten werden.

Sie sollen in Frieden ruhen.

Der Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa (VBGO) e.V. ist seit nun 10 Jahren mit der Suche und der Bergung von vermißten deutschen Soldaten auf den ehemaligen Schlachtfeldern Osteuropas beschäftigt. Die derzeit ca. 200 Mitglieder konnten in ihrer ehrenamtlichen Arbeit in Stalingrad, St. Petersburg, Ostpreußen, Ungarn und Polen seit 1992 an die 6.000 deutsche und sowjetische Soldaten bergen und ihnen ein würdiges Begräbnis auf einem Soldatenfriedhof ermöglichen. Die Angehörigen wurden über die deutschen Behörden über den Verbleib ihrer Verwandten informiert.

Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa e.V.(VBGO)
Geschäftststelle Hamburg
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22767 Hamburg
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